Appell des AIB zur Bundestagswahl
Stand: 30.01.2025
Der Beirat fordert: Demokratische Parteien sollten ihre Werte bewahren und sich nicht rechtspopulistischen Kräften anpassen. Vor den anstehenden Wahlen in Deutschland richtet der AIB einen dringenden Appell an die demokratischen Parteien unseres Landes: Es ist an der Zeit, klar und unmissverständlich zu den eigenen Werten zu stehen und sich nicht der zunehmenden rechtspopulistischen Tendenz anzupassen, nur um Stimmen zu gewinnen.
Der Beirat zeit sich zutiefst besorgt und enttäuscht über die Aussagen und Positionen führender Politikerinnen und Politiker von demokratischen Parteien, die zunehmend die Grenzen zwischen den Werten etablierter Parteien und rechtsextremer Bewegungen verschieben. Diese Entwicklung lässt den Beirat befürchten, dass die politische Mitte und damit die Stabilität Deutschlands unter Druck gerät.
In dieser Atmosphäre fühlen sich Menschen mit Migrationsgeschichte zunehmend verunsichert und besorgt. Rassistische Äußerungen und ausgrenzende Aussagen, die in der öffentlichen Debatte immer häufiger zu hören sind, verfehlen das Ziel, für ein weltoffenes und respektvolles Zusammenleben einzutreten.
Der Beirat warnt davor, dass diese Entwicklung langfristig zu einer indirekten Abwanderung oder dem Ausbleiben der - rein wirtschaftlich betrachtet notwendigen - Zuwanderung führen könnte, wenn Menschen das Gefühl bekommen, in Deutschland nicht willkommen zu sein. Dies ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch gefährlich für das gesellschaftliche Klima, in dem Feindseligkeiten und Ausgrenzung mehr und mehr zum Alltag gehören. Unsere Gesellschaft sollte mit festen Überzeugungen und Werten für eine offene und vielfältige Gesellschaft einstehen.
Die Art der Diskussion über Migration in Deutschland führt bereits heute dazu, dass Arbeitskräfte aus dem Ausland verunsichert oder abgeschreckt werden, weil sie sich hier nicht sicher oder willkommen fühlen. Dies stellt ein ernstes Risiko für unsere wirtschaftliche Entwicklung dar, die zunehmend unter dem Fachkräftemangel leidet. Ebenso setzt es unsere Sozialsysteme unter Druck, wenn wichtige Arbeits- und Fachkräfte als Beitragende fehlen, die immer mehr älteren Menschen gegenüberstehen.
Alle politischen Akteure sollten sich erneut auf die Grundprinzipien der Demokratie, der Menschenrechte und der Toleranz besinnen. Jeder Mensch, der nach Deutschland kommt, sollte sich hier willkommen fühlen.
Seit dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien überlegen sich mehrere Syrer*innen, zurückzukehren. Angesichts der fortdauernden Kämpfe, vor allem in Nordsyrien, ist es aber wesentlich, dass wir uns nicht auf die Frage der Rückkehr konzentrieren. Wir sollten vielmehr darüber nachdenken, wie wir diese Menschen, die ein aktiver Teil dieser Gesellschaft geworden sind, halten können.
Natürlich liegt die Entscheidung darüber, wer in Deutschland leben darf, bei den zuständigen Behörden, die dies auf Grundlage der geltenden Gesetze und Verfahren zu entscheiden haben. Doch die politische Verantwortung liegt bei uns allen: Wir müssen verhindern, dass politische Programme und öffentliche Diskurse von Angst und Ausgrenzung geprägt sind.
Wir haben mit großer Besorgnis den Vorschlag zur Kenntnis genommen, Staatsbürgerschaften abzuerkennen. Dies ist nicht nur rechtlich und moralisch fragwürdig, sondern auch eine gefährliche Entwicklung, die insbesondere in Zeiten von wachsendem Rechtsextremismus missbraucht werden könnte. Zugewanderte, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, haben oft über Jahre hinweg hart dafür gearbeitet und am Ende des Prozesses ihre Integrationserfolge unter Beweis gestellt. Eingebürgerte sind Teil dieser Gesellschaft geworden und haben es verdient, mit vollen Rechten und Pflichten als gleichwertige Bürgerinnen anerkannt zu werden.
Dennoch erleben viele Rassismus und Ausgrenzung. Sie bekommen den Eindruck, dass sie trotz ihrer formalen Zugehörigkeit nie wirklich als gleichberechtigt wahrgenommen werden. Entwicklungen wie die derzeitige Politik von Donald Trump in den USA zeigen, wie schnell demokratische Grundwerte untergraben werden können. Dies sollte uns eine Warnung sein. Eine Demokratie, die beginnt, Rechte willkürlich zu entziehen, öffnet Tür und Tor für Diskriminierung und Spaltung. Stattdessen müssen wir unsere demokratischen Prinzipien stärken und uns gegen jede Form der Ausgrenzung wehren.
Gleichzeitig sind wir besorgt darüber, dass offenkundig eingebürgerte Migrantinnen selbst auch rechtsextreme Parteien wählen, ohne sich der damit verbundenen Auswirkungen bewusst zu sein. Häufig wird übersehen, dass diese Entscheidung sie selbst zum Ziel von rechtsextremen Kräften machen kann – eine paradoxe Situation, in der ihre politische Wahl sie potenziell zur Zielscheibe von denen macht, die ihre Herkunft und Identität ablehnen.
Wir fordern daher alle demokratischen Parteien dazu auf, ihre Wahlprogramme klar und transparent zu gestalten und sich nicht der Versuchung zu unterwerfen, populistische und rechtspopulistische Rhetorik zu übernehmen.
Demokratie bedeutet nicht nur, Wahlen zu gewinnen, sondern vor allem, den demokratischen Konsens zu bewahren und unsere Gesellschaft zu einem Ort des Friedens, des Respekts und der Solidarität zu machen.