Lern- und Gedenkort für die Opfer der NS-"Euthanasie"

Stand: 22.11.2023

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden aus der Heil- und Pflegeanstalt über 900 Patient*innen in den Tötungsanstalten Hartheim/Linz und Pirna-Sonnenstein ermordet. Darüber hinaus starben zwischen 1940 und 1945 etwa 1850 Patient*innen, davon wohl der größte Teil an den direkten und indirekten Folgen mangelhafter Ernährung.

Aktueller Veranstaltungshinweis

Ausstellung und Rahmenprogramm Volk Gesundheit Staat: Gesundheitsämter im Nationalsozialismus

Die Ausstellung „Volk Gesundheit Staat" über die Gesundheitsämter im Nationalsozialismus ist vom 7. Dezember 2023 bis 30. Januar 2024 in der Stadtbibliothek Erlangen zu sehen. Sie wird ergänzt durch ein umfangreiches Rahmenprogramm. Veranstalter ist das ZSL Erlangen in Kooperation mit Stadtbibliothek, Stadtarchiv und gruppo diffuso.

Ausstellung

7. Dezember 2023 bis 31. Januar 2024 in Stadtbibliothek

Volk Gesundheit Staat: Gesundheitsämter im Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus spielten die Gesundheitsämter eine zentrale Rolle in der Gesundheitspolitik und wurden zu Schaltzentralen in der „Erb- und Rassenpflege“ ausgebaut, die die biologistischen bevölkerungspolitischen Vorstellungen und Zielsetzungen des Staates umsetzen sollten. Die Wanderausstellung wurde im Auftrag von BVÖGD und Bundesministerium für Gesundheit erarbeitet und präsentiert Tätigkeitsbereiche der Gesundheitsämter während des Nationalsozialismus am Beispiel der Länder Thüringen und Württemberg. Sie wird ergänzt um einen Einblick in den öffentlichen Gesundheitsdienst in Erlangen im 19. und 20. Jahrhundert.

Öffnungszeiten der Stadtbibliothek:

Mo, Di, Do, Fr 10 – 18:30 Uhr, Sa 10 – 14 Uhr

Rahmenprogramm

7. Dezember 2023, 19 Uhr, Stadtbibliothek, Bürgersaal, Marktplatz 1

Vernissage, Eröffnungsvortrag von Dr. Astrid Ley (Gedenkstätte Sachsenhausen)

Das staatliche Gesundheitsamt im Nationalsozialismus: Schaltzentrale der NS-„Erb- und Rassenpflege”

Mit der Neuordnung des öffentlichen Gesundheitswesens schufen die Nationalsozialisten 1935 die institutionelle Basis für ihr „Erb- und Rassenpflegeprogramm“. Auch in Erlangen entstand damals ein staatliches Gesundheitsamt. Der Vortrag stellt die Aufgaben der Amtsärzte in der sogenannten Erbgesundheitspflege mit besonderem Blick auf die Erlanger Einrichtung dar.

Benötigen Sie Gebärdensprachdolmetschung? Bitte melden Sie sich bis 23. November 2023 bei marlene.neumann@stadt.erlangen.de an.


9. Januar 2024, 19 Uhr, Stadtbibliothek, Bürgersaal, Marktplatz 1

Vortrag von Prof. Petra Fuchs (Expertin für Inclusion Studies) mit Übersetzung in Gebärdensprache

„Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen“ - Zur Kontinuität bioethischer Denkweisen und Praktiken aus der Perspektive Behinderung

Vor dem Hintergrund der NS-Medizinverbrechen an behinderten Menschen fragt der Vortrag nach dem heutigen Umgang der Gesellschaft mit Behinderung. Wo zeigen sich Prozesse der Selektion? Welche Bedeutung kommt Verfahren wie dem Bluttest auf Trisomie 21 (Down-Syndrom) zu, und welche Konsequenzen hat dessen Anerkennung als Kassenleistung? Mit welchen Folgen ist der medizinisch assistierte Suizid für behinderte, alte und demente Menschen verbunden?


16. Januar 2024, 19 Uhr vhs, Friedrichstraße 19, Historischer Saal, Anmeldung über www.vhs-erlangen.de

Vortrag von Dorothea Rettig, M.A. (Stadtarchiv Erlangen)

Hinter hohen Anstaltsmauern verborgen: Die Heil- und Pflegeanstalt in ihrem städtischen Umfeld

Die Heil- und Pflegeanstalt Erlangen war während der Zeit des Nationalsozialismus zwar in vielen Bereichen wirtschaftlich autark aber zugleich eng in ihr städtisches Umfeld eingebunden. Voraussetzung für die Verbrechen an behinderten und psychisch kranken Menschen war ein Erlass Hitlers – aber auch ein engmaschiges Netz von Helfern außerhalb der Anstalten, die bereit- willig dazu beitrugen, diesen in die Tat umzusetzen. Der Vortrag wird die Verflechtungen der Heil- und Pflegeanstalt mit verschiedenen Akteuren und Institutionen in Erlangen herausarbeiten.


23. Januar 2024, 18 Uhr, vhs, Friedrichstraße 19, Großer Saal, Anmeldung über www.vhs-erlangen.de

Film und Gespräch

Nebel im August

Süddeutschland Anfang der 1940er Jahre: Der 13-jährige Ernst Lossa ist der Sohn einer jenischen Familie, der als „nicht erziehbar“ gilt und in eine Nervenheilanstalt abgeschoben wird. Das auf der gleichnamigen Romanbiografie über Ernst Lossa (1929 – 1944) fußende Drama setzt eindrucksvoll den Glücksanspruch und den Widerstand des Protagonisten gegen die Verbrechen der Täter mit einer dramatischen Lichtführung ins Bild. Der Film vermittelt eindringlich, was passiert, wenn sich das Leben nach Kriterien der Nützlichkeit für eine Gesellschaft bestimmt.


28. Januar 2024, 11 Uhr, Stadtbibliothek, Bürgersaal, Marktplatz 1

Gedenkveranstaltung der Stadt Erlangen

Anlässlich des Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust wird Prof. Michael von Cranach unter der Überschrift „Den Opfern einen Namen geben“ über seine Forschungsarbeit zur NS-„Euthanasie“ sprechen.


31. Januar 2024, 19 Uhr, Krankenhausstr. 12, Gebäude C, Kleiner Hörsaal der Frauenklinik

Vortrag von Prof. Matthias W. Beckmann (Frauenklinik Erlangen) mit Übersetzung in Gebärdensprache

„Eine schwere Versündigung […] gegen die Grundgebote der Ethik“ - Zwangssterilisationen und Abtreibungen in der Frauenklinik im NS und ihr historischer Kontext

Zwischen 1933 und 1945 haben Ärzte der Frauenklinik an mindestens 513 Mädchen und Frauen Zwangssterilisationen durchgeführt, dabei 13 Schwangerschaften abgebrochen und daraus wissenschaftliches Kapital geschlagen. In den letzten beiden Kriegsjahren nahmen sie zudem in mindestens 136 Fällen ideologisch motivierte gesetzeswidrige Abtreibungen bei „Ostarbeiterinnen“ vor. Der Vortrag informiert über Hintergründe dieser Medizinverbrechen, ihre zögerliche Aufarbeitung und den beschämenden Umgang mit den Opfern bis in die Gegenwart.


Gedenken gestalten

Im Jahr 2015 haben alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen und Gruppierungen die Schaffung eines „Ortes der Erinnerung“ an diese Menschen beantragt und die Verwaltung gebeten, einen Dialog in Gang zu bringen (Fraktionsantrag 001/2015). 


Der Beirat

Im Februar 2017 konstituierte sich der Beirat für die Errichtung einer Gedenkstätte der „Euthanasie“-Opfer in der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen, dem Vertreter der Universität, des Universitätsklinikums, des Bezirks Mittelfranken, des Bezirksklinikums und der Stadt Erlangen angehören. Vertreten sind auch das Max-Planck-Institut, die jüdische Gemeinde und Privatpersonen. An den Sitzungen des Beirates nehmen auch der Oberbürgermeister (Vorsitz), die Referentin für Bildung, Kultur und Jugend sowie der Referent für Planen und Bauen teil. Die Geschäftsführung liegt beim Stadtarchiv.

Es handelt sich um ein beratendes Gremium, das keine rechtsbindenden Entscheidungen treffen kann, sondern nur Empfehlungen ausspricht. Entscheidungsträger sind je nach Zuständigkeit der Stadtrat oder die für die Bebauung des Geländes der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt zuständigen Institutionen. Der Beirat bereitete erste Schritte für die Schaffung eines Lern- und Gedenkortes vor.


Erstellung eines Rahmenkonzeptes

Im Juli 2019 wurden der renommierte Gedenkstättenexperte Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Julius Scharnetzky mit der Erstellung eines Rahmenkonzepts für einen künftigen Lern- und Gedenkort beauftragt. Am 30. Juni 2020 wurde das Rahmenkonzept mit zehn konkreten Handlungsempfehlungen vorgestellt. Es wird den Ausgangspunkt für die weitere Konzeption des Lern- und Gedenkorts bilden.


Sollten Sie Fragen oder Anregungen zum Konzept für den Erinnerung- und Zukunftsort haben, wenden Sie sich bitte an: gedenken.gestalten@stadt.erlangen.de

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