Die Kulturpolitischen Leitlinien der Stadt Erlangen
Stand: 01.03.2024
Mit den Kulturpolitischen Leitlinien haben die Ämter der Erlanger Kulturverwaltung im Jahr 2020 eine gemeinsame Ausrichtung für die Kulturarbeit der nächsten Jahre veröffentlicht.
Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik. In einer sich schnell wandelnden Gesellschaft sieht das Referat für Kultur, Bildung und Freizeit Handlungsbedarf, um das Wirkungs- und Handlungsfeld der Kulturarbeit in Erlangen zu definieren und Haltung zu zeigen. Es ist notwendig, sich der Grundsätze zu versichern, auf denen kulturpolitische Entscheidungen einer Stadt beruhen. Es ist dabei Aufgabe der Kulturpolitik, Entwicklungen zu beobachten und durch kulturpolitische Maßnahmen zu steuern.
Die vorliegenden Kulturpolitischen Leitsätze schaffen dafür die Grundlage und verstehen sich als handlungsleitend. Sie prägen das Kulturförderverständnis der Stadtverwaltung. Eine demokratische Gesellschaft, die den Diskurs befördert, ist dabei stets das Ziel.
Eine PDF der Langfassung der Kulturpolitischen Leitlinien kann gerne im Referat für Kultur, Bildung und Freizeit digital angefragt werden.
Die Kulturinstitutionen der Stadt Erlangen leben die Werte des Grundgesetzes in der täglichen Arbeitspraxis. Alle Kulturveranstaltungen stehen grundsätzlich unter dem Primat der Vielfalt: Eine Teilnahme von Menschen jeder Nation, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und Glaubensrichtung ist ausdrücklich erwünscht. Die gesamte Erlanger Kulturarbeit steht zu jeder Zeit für eine schützenswerte und förderungswürdige Vielfalt der Kultur und einem Miteinander aller kulturellen Akteure. Rassistische und extremistische Gesinnung sowie demokratiefeindliches Gedankengut und Handeln haben in der Erlanger Kultur keine Bühne. In der Kulturarbeit wird das Motto der Stadt Erlangen „offen aus Tradition“ gelebt.
Kunst irritiert und erweckt Anstoß. Kunst legt durch ihre Beschäftigung mit welthaltigen Themen unterschiedliche Perspektiven offen und lädt zum Diskurs ein. Die Erlanger Kulturarbeit fördert deshalb auch Künste, die nicht gefällig sind und die die Zustimmung einer Mehrheit nicht erreichen. Die Verwaltung übt sich in und fördert die Ambiguitätstoleranz – sie begegnet Widersprüchen und neuen Erfahrungen in und durch unabhängige und engagierte Kunst und Kultur offen und mit Neugier.
3.1 Teilhabe und Inklusion zum Programm machen
Das Kulturreferat ist einem demokratischen Kulturbegriff verpflichtet und sieht Kultur als zentrale Möglichkeit, gesellschaftliche Teilhabe aller in der Stadt lebenden Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Das in Erlangen verfolgte Konzept einer „Kultur für alle“ ist für die Erlanger Kulturarbeit handlungsleitend und rückt den Menschen in den Mittelpunkt. Das bedeutet also, Vermittlungsarbeit vielfältig zu gestalten, notwendige Frei- und Gestaltungsräume zu schaffen und Zugänge – auch im Sinne eines freiheitlichen Kulturlebens – kostengünstig zu ermöglichen, also Barrierefreiheit in vielerlei Hinsicht zu realisieren. Das zu schaffen ist für den Aufgabenbereich Auftrag, Verpflichtung und Herausforderung zugleich. Bei der Planung von Angeboten und der Vermittlungsarbeit möchte Erlangen alle Menschen einbinden und durch inklusives Handeln die Selbstwirksamkeit aller Bürger*innen stärken.
3.2 Bürgerschaftliches Engagement unterstützen
Die Stadt Erlangen bekräftigt die große Bedeutung des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements in Vereinen für die Gesellschaft. Sie bietet Auftritts- und Entfaltungsmöglichkeiten von künstlerischen und kreativen Interessen und Talenten. Sie schafft einen Raum für ein unterstützendes Miteinander, eigenverantwortliches Handeln und den kulturellen Erfahrungsaustausch. Die Kulturverwaltung unterstützt eine lebendige und vielfältige Vereinskultur in Erlangen.
3.3 Dezentrale Kulturangebote in den Stadtteilen ausbauen
Die Stadt Erlangen stellt Orte bereit, an denen sich Bürger*innen engagieren und selbst aktiv werden können. Gemeinsam mit den Bürger*innen in den wohnortnahen Bürgerhäusern schafft die Kulturarbeit in Erlangen ein breites Angebot an qualitativem Kultur- und Bildungsangebot. Die Erlanger Kulturverwaltung fördert solche Orte der Begegnung, der Aktivierung, des Experiments und der Kreativität, der Solidarität und des Lernens – im Zentrum ebenso wie in den Stadtteilen. Zudem schafft sie mobile Angebote, die Kunst und Kultur in die Stadtteile bringt.
3.4 Kulturelle Bildung fördern
Kunst und Kultur haben einen Wert an sich, jedoch ebenso die kulturelle Bildung. Sie ist Voraussetzung für das Verstehen von künstlerischen Ausdrucksformen und Inhalten und Türöffnerin zur Nutzung der Angebote kultureller Institutionen. Zugleich ist sie wichtig für die Ausbildung von gesellschaftsrelevanten Schlüsselkompetenzen, durch die Stärkung sozialer, kommunikativer und kreativer Fähigkeiten. Persönlichkeitsentfaltung durch kulturelle Bildung ist eine Voraussetzung der Entwicklung von Stadt und Gesellschaft. Die Erlanger Kulturarbeit begreift diese Wechselbeziehung als ein zentrales Element ihres Aufgabenbereichs und schafft deshalb ein reichhaltiges, zugängliches und qualitätsvolles Angebot zur kulturellen Bildung für alle Altersklassen. Kulturelle Bildung ist Bestandteil des Aufgabenbereichs jeder Kulturinstitution in Erlangen.
Digitale Techniken der Kulturproduktion und -vermittlung eröffnen Spielräume für innovative Formate und Rezeptionsmöglichkeiten. Sie wecken Neugier und leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Digitalkompetenz. In virtuellen Räumen der Kulturproduktion, aber auch in digital-analogen Formaten, kann neue und andere Kunst entstehen, können gesellschaftliche Aspekte neu beleuchtet sowie Begegnung und Diskurs für alle Zielgruppen der Stadtgesellschaft ermöglicht werden. Dabei können auch neue und innovative Verbindungen zwischen Kunst und anderen, technischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Handlungsfeldern erleichtert und geschaffen werden. Traditionelle Formate der Kulturvermittlung werden in Erlangen sinnvoll mit Digitalem ergänzt, erweitert und neu gedacht.
Kunst hat immer wieder auch die Wirkung, Grenzen des Ausdrucks und der Wahrnehmung zu überschreiten und zu verändern. Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Eine Reflexion darüber ist dem Denken und Handeln der Erlanger Kulturarbeit deshalb immanent. In der konzeptionellen und praktischen Veranstaltungsarbeit sind innovative Ansätze gefragt, die die Klimabelastung minimieren. Der Klimaschutz ist somit fester Bestandteil bei der Projektplanung von Kulturveranstaltungen. Künstler*innen und Kulturschaffende sind dabei wichtige Impuls- und Ideengeber*innen.
Die Kultur einer Stadt wird immer durch ihre Stadtgeschichte geprägt. Deshalb müssen Sammlungen in den Museen und Archiven sichtbar, zugänglich gemacht und vermittelt werden. Traditionen zu schätzen und die Vergangenheit lebendig zu halten heißt dabei immer: Erfahrung zu reflektieren und im Gegenwärtigen und für zukünftiges Handeln mitzudenken. Die Erlanger Kulturarbeit trägt dem in einer aktiven Pflege und der Bewahrung des kulturellen Erbes Rechnung.
7.1 Verlässliche Räume: Eine kulturelle Infrastruktur sichern
Stadtbibliotheken, Museen, Archive, Theater, Stadtteilhäuser, Musik-, Jugendkunst- und Volkshochschulen sind Orte der Begegnung und Kommunikation, der Bildung, der Rast, der Präsentation und ästhetischen Rezeption, der Anregung zum Nachdenken, der Gemeinschaft, des Entdeckens, der Freude und des Diskurses. Diese Kultureinrichtungen haben eine Ankerfunktion in Erlangen, weil sie in der Lage sind, sich mit den Anforderungen der Zeit zu verändern. Sie erhalten eine stabile, verlässliche Infrastruktur für die Stadtgesellschaft und ihre Kulturgüter. Ihr starkes identifikatorisches Moment ist ein hohes Gut für die Stadt.
7.2 Den öffentlichen Raum als Kunst- und Kulturraum begreifen und nutzen
Öffentliche Räume werden durch das Handeln der Erlanger Kulturarbeit regelmäßig zu Orten für qualitative Kultur- und Kunstprogramme jenseits eines Konsumzwangs. Sie erreichen mit ihren Angeboten weite Teile der Stadtgesellschaft. Sie sind Orte für neue Impulse, bieten Raum für Gemeinschaft und Teilhabe sowie Platz zum Durchatmen und Staunen. Sie sind wichtige Begegnungssphären einer vielfältigen Stadtgesellschaft. Insbesondere den Festivals kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Die Erlanger Kulturverwaltung ermöglicht immer wieder neue Projekte für Kunst im öffentlichen Raum und bietet damit eine wichtige Bühne für Künstler*innen und ihre Werke. So legt sie Fundamte für mehr Sichtbarkeit der Kunst und Künstler*innen bei den Bürger*innen Erlangens und bei seinen Besucher*innen.
7.3 Experimentierräume schaffen
Künstler*innen und Kreative sind Innovator*innen. Wissen und Ideen sind wichtige gesellschaftliche Ressourcen. Dazu bedarf es Labore zum Experimentieren mit Kunst, Wissenschaft, Technik, Digitalem. Ermöglichungsräume (auch: Leerstandsnutzung, Zwischennutzungen) und Plattformen für Künstler*innen und Kulturschaffende bringen Kunst und Stadtgesellschaft zusammen. Sie ermöglichen sowohl neue Ideen als auch Teilhabe und Wissenstransfer. Die Erlanger Verwaltung greift Impulse auf, vernetzt und fördert. Sie ist sich bewusst, dass Innovation häufig mit Unangepasstheit und Improvisation einhergeht.
8.1 Künstlerische Leistung fair entlohnen
Qualitativ hochwertige Kunst und Kultur kann es ohne Künstler*innen und Kulturschaffende nicht geben. Wie jede Profession bedarf auch die künstlerische Arbeit ausreichend Zeit und Mittel u.a. für ihren Entstehungsprozess. Um dies zu gewährleisten, ist geleistete Arbeitszeit von professionellen Künstler*innen und Kulturschaffenden angemessen zu entlohnen. Dies sollte auch bei Kunst im digitalen Raum Anwendung finden. Kreative Ideen, qualitativ hochwertige Kunstproduktionen oder die Schaffung von Kulturgütern mit positiven Einflüssen auf unsere vielfältige Gesellschaft werden durch eine proaktive Kulturförderung unterstützt.
8.2 Kultur- und Kreativwirtschaft sichtbar machen
Das Kulturreferat ist sich über das kreative Potenzial auch außerhalb klassischer Kultursparten und -institutionen bewusst. Es wertschätzt die wirtschaftliche Kraft und den kreativen Geist der Selbständigen und Unternehmen in allen elf Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft. Es sorgt für eine Sichtbarkeit der Akteure auch anderer kreativer Bereiche, u.a. der Games-Industrie, dem kreativen Handwerk oder dem Design. Erlangen soll ein guter Ort zur Ansiedelung von Kreativen sein. Das Wirtschaftsreferat ist in diesem Tandem ein wichtiger und gleichwertiger Partner.
Das Erlanger Kulturreferat ist offen für Einflüsse von außen und initiiert das Gespräch mit anderen. Es ist neugierig auf Inhalte verschiedenster Fachbereiche und Ämter. Das Teilen von Expertisen und fachfremden Ideen und Inhalten in einem fruchtbaren Dialog schafft spannende Formate. Zusammenarbeit endet für die Erlanger Kulturverwaltung nicht an den Stadtgrenzen, sie versteht sich als Teil eines großen Netzwerks in der Metropolregion Nürnberg. Kooperationen mit regionalen, nationalen und internationalen Künstler*innen, und Partner*innen werden gesucht und gefördert. Das Kulturreferat sieht sich als Koordinatorin in diesem Dialog.
Die Stimmenvielfalt, die diesem Handeln nachfolgt, begreifen wir als Reichtum.
Referat IV - Kultur, Bildung und Freizeit
Referentin: Anke Steinert-Neuwirth