Über das Stadtarchiv
Stand: 11.11.2024
Von der "Sammelstelle für altherthümliche Gegenstände" zum modernen Kommunalarchiv: Hier finden Sie weiterführende Informationen zu den Aufgaben, der Struktur und der Geschichte des Stadtarchivs.
Die Geschichte des Stadtarchivs Erlangen 1885–2020
Das Stadtarchiv Erlangen ist heute die zentrale Kompetenzstelle für die Geschichte Erlangens, das offizielle Gedächtnis der Stadt. Es dokumentiert durch die Übernahme, Aufbewahrung und Auswertung von amtlichem Schriftgut, Sammlungen, Nachlässen und mehr umfangreich das Leben in der Stadt. Durch Publikationen, Ausstellungen und Vorträge sowie das Recht eines jeden, im Lesesaal des Archivs selbständige Forschungen zu betreiben, besteht für die Öffentlichkeit die Möglichkeit, an den vielen Schätzen im Archiv teilzuhaben.
Doch bis zu der Entstehung dieses Gedächtnisses der Stadt war es ein langer Weg. Bis in das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts existierte kein eigentliches Archiv in Erlangen. Das Schriftgut der öffentlichen Stellen lagerte in den privaten Räumlichkeiten der jeweiligen Amtsträger, etwa beim Amtshauptmann als oberstem staatlichen Vertreter. Im 19. Jahrhundert bewahrte man dann die städtische Registratur im Rathaus auf.
Die Anfänge als „altertümliche Sammlung“ (1885-1921)
Am Beginn des Stadtarchivs Erlangen stand der Wunsch, durch das Anlegen einer Sammlung mit stadt- und heimatgeschichtlichem Archiv- und Museumsgut die eigene kulturelle Vergangenheit zu erhalten. 1885 durch einen Stadtratsbeschluss ins Lebens gerufen, wurde diese Sammlungsstelle für „alterthümliche oder geschichtliche Gegenstände“ zunächst nur nebenamtlich in der Oberrealschule (heute Ohm-Gymnasium) im Egloffsteinschen Palais aufbewahrt und durch den Leiter der Schulanstalt betreut. Das Archiv füllte in diesen frühen Tagen seine Bestände vor allem durch Schenkungen und eigene Ankäufe auf.
Das Egloffsteinsche Palais (1938/39)
Bis 1910 gelangten auf diese Weise mehrere hundert Objekte – Urkunden, Druckschriften, Bilder, Pläne, Siegel und Stempel, Münzen, Medaillen und Biermarken – in das inzwischen in das damalige Rathaus am Marktplatz (Palais Stutterheim) umgezogene Archiv. Zu einer geregelten Übernahme von Schriftgut aus der städtischen Verwaltung kam es noch nicht. Im Vordergrund stand der antiquarisch-museale Zweck der Einrichtung, etwa im Rahmen einer Ausstellung anlässlich der hundertjährigen Zugehörigkeit Erlangens zu Bayern im Jahr 1910.
Das Palais Stutterheim (um 1920)
Seit 1909 stand der Einrichtung ein fest zugewiesener Betreuer in der Person des Oberlehrers Gustav Pauli vor. Mit der Sammlung von Kriegserinnerungen und -schriften während des Ersten Weltkriegs übernahm das Archiv erstmals die Aufgabe einer zeitgeschichtlichen Dokumentation.
Das Archiv nimmt Gestalt an (1921-1945)
Nach Ende des Ersten Weltkriegs begann das Stadtarchiv zunehmend sein Potenzial zu entfalten. Mit dem ehemaligen Lehrer und Journalisten Ludwig Göhring übernahm ab 1921 erstmals ein hauptamtlicher Archivar die Leitung der Institution. 1923 zog das Archiv zusammen mit Museum und Volksbibliothek in das als „Volks(bildungs)haus“ konzeptionierte ehemalige Altstädter Rathaus am Martin-Luther-Platz.
Das 2. Obergeschoss des Altstädter Rathauses mit den geplanten Archivräumlichkeiten (1921)
Während Göhrings Amtszeit erweiterte sich der Bestand des Stadtarchivs wesentlich. Neben typischem Sammlungsgut wie Münzen, Medaillen und Siegeln kamen nun auch Akten, Druckschriften und Bücher in das Haus. Mit der Anlage von Repertorien, dem Führen einer Stadtchronik, dem Aufbau einer stadtgeschichtlichen Bibliothek, der Entscheidung über die Kassation und Vernichtung von nicht länger benötigtem Schriftgut sowie der Publikation heimat- und stadtgeschichtlicher Veröffentlichungen übernahm das Archiv bereits Aufgaben, die deutlich über die einfache Sammlungstätigkeit der Gründungsjahre hinausgingen.
Das zum "Volkshaus" umgestaltete Altstädter Rathaus (1921)
Unter der nebenamtlichen Betreuung durch den Chemielehrer und Heimatforscher Dr. Ernst Deuerlein lag in der Zeit des Dritten Reiches ein Schwerpunkt des Archivs auf der Sippen- und Familienforschung und der Anlage einer umfangreichen familienkundlichen Kartei. Zudem entfaltete Deuerlein eine intensive Sammlungstätigkeit, die die Bestände um wertvolle, vor allem zeitgeschichtliche Materialien erweiterte. Kritisch sind hingegen die zahlreichen antisemitischen Äußerungen und Publikationen des damaligen Stadtarchivars zu sehen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs begann im Rahmen von Luftschutzmaßnahmen die Auslagerung von als besonders wichtig erachteten Beständen aus Luftschutzgründen, die dabei in erhebliche Unordnung gerieten. Kriegsbedingte Verluste gab es aber nicht.
Konsolidierung und Ausbau (1945-1984)
Da kurz nach Kriegsende die Spruchkammer in das Altstädter Rathaus einzog, musste das Stadtarchiv zunächst wieder in das Palais Stutterheim am Marktplatz zurückkehren. Der dem durch die US-Militärregierung entlassenen Ernst Deuerlein nachgefolgte, nun wieder hauptamtliche Archivleiter Johannes Bischoff organisierte die Rückführung des ausgelagerten Archivguts, deren erneute Ordnung und Erschließung sowie Übernahme weiterer neuer Bestände. Darüber hinaus entfaltete Bischoff als Stadtarchivar eine rege Tätigkeit, unter anderem mittels Stadtführungen, einer beratenden Funktion im Denkmalschutz oder heimatkundlichen Vorträgen und Publikationen. So ist etwa das Archiv seit 1955 maßgeblich an der Publikation der vom Heimat- und Geschichtsverein begründeten „Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung“ beteiligt.
Stadtarchivar Johannes Bischoff im Archivmagazin (1951)
Weiterhin nahm das Archiv in dieser Zeit eine zunehmend gewichtige Stellung in der städtischen Schriftgutverwaltung ein. Nach der Auflösung der städtischen Hauptregistratur und der Einführung von Sachbearbeiterablagen übernahm es in der ersten Hälfte der 1960er Jahre in kurzer Zeit große Mengen an Akten in die eigenen Bestände. Dabei erfüllte es von nun an zusätzlich die Funktion einer Betreuungsstelle für die aktenführenden Sachbearbeiter und deren Schriftgutverwaltung. Die Eingemeindung weiterer Orte seit 1967 – Kosbach, Tennenlohe, Eltersdorf, Frauenaurach, Großdechsendorf, Hüttendorf, Kriegenbrunn – brachte durch die Übernahme der jeweiligen Gemeindearchive ein weiteres Anwachsen der Bestände.
Das Stadtarchiv konnte diesen neuen Aufgaben in den beengten Räumlichkeiten schon kurz nach Kriegsende kaum noch nachkommen, und auch die Anlage mehrerer Außenmagazine bot keine langfristige Lösung. Zur Beseitigung der akuten Raumnot entstand daher im Jahr 1959 erstmals ein eigener Archivzweckbau im Hinterhof des Altstädter Rathauses. Daneben war allerdings weiterhin die Nutzung mehrerer Außenmagazine notwendig.
Der Archivneubau im Hinterhof des Altstädter Rathauses (1959)
Benutzer im neuen Archivbau (1961)
Der lange Weg zum „Museumswinkel“ (1984-2019)
Längerfristig litt das Stadtarchiv erneut unter beengten und disparaten räumlichen Verhältnissen. 1984 erzwangen statische Mängel den Auszug aus dem Zweckbau, welcher 1987 abgerissen wurde. Der Umzug in die für diesen Zweck 1985/86 umgebaute ehemalige Feuergeräteremise zu Verwaltungsräumen in der Cedernstraße 1 konnte nur bedingte Abhilfe schaffen; es gelang weiterhin nicht, alle Bestände des Archivs in einem Gebäude zusammenzuführen. Stattdessen blieben mehrere Außenmagazine in Benutzung, in denen konservatorisch bedenkliche Zustände herrschten.
Die Verwaltungsräume des Stadtarchivs im Gebäude Cedernstraße 1 (2007)
Trotz dieser erschwerenden Umstände und einer relativ geringen Personalausstattung entfaltete das Archiv vielfältigen Aktivitäten und bewies eine hohe Arbeitsleistung. So verdoppelten sich zwischen 1977 und 1997 die Bestände auf fast 4.000 laufende Regalmeter; zudem erfolgte 1997/98 die Umstellung auf eine digitale Archivdatenbank. Das Archiv übernahm unter anderem die Führung der Stadtchronik, die fotografische Dokumentation des Stadtbilds und bildet seit 1998 die Stadtführer aus. Neben allen diesen Tätigkeiten erfüllte das Archiv selbstverständlich weiterhin die Aufgaben der Schriftgutübernahme, Erschließung und Benutzerbetreuung.
Seit Mitte der 1990er Jahre trat das Stadtarchiv durch vermehrte Öffentlichkeitsarbeit und Publikationstätigkeit hervor. Besonders hervorzuheben ist das zur 1000jährigen Ersterwähnung Erlangens im Jahr 2002 erschienene „Erlanger Stadtlexikon“, bis zum heutigen Tag das maßgebliche Standardwerk zur Stadt und ihrer Geschichte. Ein weiteres bedeutendes Projekt war die Ausrichtung des Bayerischen Archivtags im Jahr 2007 zusammen mit dem Erlanger Universitätsarchiv und dem Siemens-MedArchiv.
Parallel lief eine entscheidende Entwicklung an: Schon seit den 1970er Jahren hatte es wiederholte, letztlich jedoch stets verworfene Pläne zur Errichtung eines neuen Archivgebäudes (unter anderem im Rahmen eines „stadthistorischen Zentrums“ in Verbindung mit dem Stadtmuseum) gegeben. Durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit konnte das Stadtarchiv in den 1990er Jahren zunehmende Aufmerksamkeit für die kritische bauliche Situation im Archiv und den Außenmagazinen erreichen. Eine einmalige Gelegenheit ergab sich schließlich im Jahr 2000 mit der Schenkung eines Areals mit Industriegebäuden des frühen 20. Jahrhunderts an die Stadt Erlangen durch die Firma Siemens.
Zuerst für die Errichtung eines Industriemuseums vorgesehen und daher bis heute als „Museumswinkel“ tituliert, beschloss der Erlanger Stadtrat im Jahr 2006 die Unterbringung des Stadtarchivs im sogenannten D-Block, einem im Jahr 1911 errichteten Industriebau. Am 15. Dezember 2009 erfolgte die Grundsteinlegung für den Neubau, der am 21. Oktober 2011 eingeweiht werden konnte. Die Stadt Erlangen investierte in den Umbau insgesamt knapp sechs Millionen Euro.
Grundsteinlegung für den Archivbau im Museumswinkel (2009)
Der Bau des neuen Stadtarchivs im Museumswinkel (2010)
Die verbliebenen Außenmagazine des Stadtarchivs 2011-2019
Zum 29. Februar 2012 nahm das Stadtarchiv den Benutzerdienst im neuen Archivgebäude auf. Bis 2019 konnten die verbliebenen Außenmagazine nach und nach aufgelöst, die dort gelagerten Archivalien in den Neubau überführt werden. Damit ist der Bezug des Museumswinkels knapp zehn Jahre nach der Entstehung abgeschlossen, das Gedächtnis der Stadt Erlangen hat endlich ein angemessenes Heim bezogen.
Ausblick: Das moderne Gedächtnis der Stadt Erlangen
Durch den Umzug in den Museumswinkel verfügt das Stadtarchiv Erlangen nun über einen modernen, optisch ansprechenden und hervorragend ausgestatteten Archivbau, der erstmals in der Geschichte des Archivs alle bis dahin verstreuten Bestände aufnehmen kann. Im Rahmen des Umzugs wurden zudem nach Möglichkeit die Archivalien erfasst, angemessen verpackt und gesichert. In Verbindung mit den neuen Räumlichkeiten ist damit eine konservatorisch angemessene Lagerung der zuvor nur unzureichend aufbewahrten Archivalien möglich. Großzügige Räumlichkeiten stehen auch für die Benutzer sowie Veranstaltungen zur Verfügung. Auch die Personalausstattung des Archivs konnte in den Jahren seit dem Beginn des Umzugs deutlich verbessert werden, so dass heute 17 Mitarbeiter im Haus tätig sind.
Mit dem Einzug in den Museumswinkel ist ein herausragender Meilenstein in der Geschichte des Stadtarchivs Erlangen gesetzt worden. Zugleich bildet dies aber nur den Ausgangspunkt für neue Unternehmungen des Gedächtnisses der Stadt. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Geschichte der Stadt Erlangen im Ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und im Zweiten Weltkrieg, NS-Verbrechen in Erlangen, die Geschichte der Erlanger Juden oder die „Zeitzeugengespräche“ mit bedeutsamen Persönlichkeiten des städtischen Lebens.
Eine erhebliche Herausforderung ist weiterhin die Digitalisierung mit allen ihren Folgen, nicht zuletzt hinsichtlich der langfristigen Archivierung der inzwischen fast vollständig elektronischen Aktenführung der Stadt Erlangen. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Förderung des fachlich geschulten Nachwuchses: Seit 2009 bildet das Stadtarchiv in Eigenregie FAMIs (Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste) aus.
Durch alle diese Aktivitäten will das Stadtarchiv Erlangen auch weiterhin seiner Aufgabe gerecht werden, die Geschichte der Stadt zu bewahren, zu erschließen, zu erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen: als Gedächtnis der Stadt.
Das neue Stadtarchiv Erlangen am Tag der Eröffnung (2011)
Das Stadtarchiv ist das offizielle Gedächtnis Erlangens.
Als zentrale Einrichtung der Stadtverwaltung übernimmt das Stadtarchiv laufend die amtlichen Unterlagen zur dauerhaften Aufbewahrung. Darüber hinaus erwirbt es durch Ankauf und Schenkungen Vereins- und Firmenarchive, Familiennachlässe und Erlangensien aller Art. Daneben besitzt es eine vielseitige Sammlung von Büchern, Zeitungen, Münzen, Medaillen, Ansichtskarten, Fotografien und vielem mehr. Durch diese Tätigkeit kann das Stadtarchiv die Überlieferung der Vergangenheit und Gegenwart für zukünftige Generationen maßgeblich gestalten. Der derzeitige Bestand umfasst eine Größenordnung von 5,5 Regalkilometern oder etwa 55 Mio. Blätter.
Zu den Hauptaufgaben des Stadtarchivs gehören die dauerhafte Aufbewahrung und Erschließung seiner Bestände, die Führung und Ergänzung der archivischen Sammlungen und Dokumentationen (insbesondere der Stadtchronik und der zeitgeschichtlichen Sammlung), die Bereitstellung von Unterlagen und Informationen für Archivbenutzer, die Erforschung der Geschichte Erlangens, die Mitwirkung an der Denkmalpflege sowie die historische und politische Öffentlichkeitsarbeit.
Das Stadtarchiv gibt zusammen mit dem Heimat- und Geschichtsverein die „Erlanger Bausteine“, die einzige periodische wissenschaftliche Publikation zur Erlanger Stadt- und Regionalgeschichte, heraus und war zum Beispiel beteiligt an den Ausstellungen und Publikationen zum 300jährigen Jubiläum der Neustadt Erlangen im Jahr 1986, zum 250jährigen Jubiläum der Friedrich-Alexander-Universität im Jahr 1993 sowie zum 1000jährigen Stadtjubiläum Erlangens im Jahr 2002. Hervorzuheben sind darüber hinaus die eigenen Schriftenreihen des Stadtarchivs.
Neben der Forschungarbeit, die das Stadtarchiv selbst leistet, unterstützt es auch heimatkundliche und wissenschaftliche Forschungen und gibt auf Anfragen Auskunft zur Stadt-, Universitäts-, Wirtschafts- und Regionalgeschichte sowie zur Personen- und Familienforschung. Auch anderen kulturellen Einrichtungen steht es als Kooperationspartner für Ausstellungen u.ä. und als Berater in Fragen der Schriftgutverwaltung und Bestandserhaltung zur Verfügung.
Als Amt innerhalb der Stadtverwaltung ist das Stadtarchiv auch Ausbildungsort für den Beruf „Fachangestellte/r für Medien und Informationsdienste (FaMI)“.
Durch die Beteiligung an der gegenwärtig in der Stadtverwaltung durchgeführten Verwaltungsreform (Digitalisierung des Schriftverkehrs, dauerhafte Aufbewahrung von EDV-Datensätzen) nimmt das Stadtarchiv nicht zuletzt auf die Gestaltung und Überlieferung des zukünftigen amtlichen Schriftguts Einfluss. Durch die Übernahme ausgewählter Bestände bestimmt das Stadtarchiv in der Gegenwart was kommende Generationen über die Vergangenheit erfahren und kann sich so an der Entwicklung der Zukunft beteiligen.
Die vielfältigen Aufgaben des Stadtarchivs bilden die Grundlage der amtsinternen Organisationsstruktur. Neben Geschäftszimmer und Verwaltung gibt es in den Bereichen "Digitale Langzeitarchivierung" und "Öffentlichkeitsarbeit, Wissenschaft & Forschung" zwei Stabsstellen mit klar umrissenen Spezialaufgaben. Die archivischen Kernaufgaben sind in entsprechenden Fachgruppen gebündelt. Die Fachgruppenleitungen sind im Organigramm grau hinterlegt.