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Zusammenarbeit im Katastrophenschutz

Stand: 14.05.2025

Bericht vom ORTAK-Fachaustausch zwischen den Partnerstädten Erlangen und Beşiktaş

Nach dem schweren Erdbeben 2023 im Südosten der Türkei wurde zwischen den beiden Kommunen eine Zusammenarbeit im Bereich Katastrophenschutz und hier vor allem beim Ausbau einer Suchhundestaffel vereinbart

Eine Delegation aus der Partnerstadt Beşiktaş erhielt Ende September 2024 in Erlangen wertvolle Einblicke in die Strukturen Katastrophen- und Zivilschutzes in der Stadt Erlangen. Direkt nach den Osterfeiertagen war nun der Gegenbesuch in Beşiktaş anberaumt. Neben Vertretern der Feuerwehr war mit Dr. Melanie Schulz-Drost/BRK  eine renommierte und international erfahrene Suchhundetrainerin dabei. Die Gruppe absolvierte ein umfangreiches Programm unter der Leitung des städtischen Direktorats für Katastrophenschutz in Beşiktaş und erlebte das Erdbeben der Stärke 6,2 am 23.4 sowie weitere Nachbeben in Istanbul hautnah mit.

In den Gesprächen mit den verschiedenen Institutionen, Einheiten und auch zivilgesellschaftlich Aktiven wurde klar, dass sich der Bezirk Beşiktaş seit einigen Jahren intensiv um den Ausbau des Katastrophenschutzes kümmert. Die Stadtverwaltung unterhält einen Erdbebenpark, in dem sich auch die kommunale Koordinierungsstelle für den Katastrophenschutz befindet. In Beşiktaş gibt es weitere 60 Grünanlagen, die der Bevölkerung als Treffpunkte im Falle eines Erdbebens dienen. Nach dem Erdbeben haben sich Menschen, die in nicht erdbebensicheren Häusern wohnen auch mehrere Tage in Parks aufgehalten.

Weiter hat Beşiktaş bereits vor einigen Jahren mit dem Aufbau einer Suchhundestaffel begonnen. Aktuell werden zwei Hunde in einem Trainingsgelände von AFAD, der Provinzdirektion für Katastrophen- und Notfälle Istanbul ausgebildet. Insgesamt gibt es türkeiweit 81 ausgebildete Such- und Trümmerhunde, 20 davon in Istanbul, die nach einem nationalen Standard arbeiten, sich aber den internationalen Standard von INSARAG annähern. Dr. Melanie Schulz-Drost zeigte sich vom Ausbildungsstand und den Anlagen sehr beeindruckt und konnte den türkischen Kollegen in einem eintägigen Workshop wichtige Tipps und Hinweise für die weitere Ausbildung der Hunde mitgeben. Auf beiden Seiten besteht großes Interesse, die Zusammenarbeit zu intensivieren. Durch das Kennenlernen und den Aufbau von Beziehung und Vertrauen wird die Zusammenarbeit im Katastrophenfall immens erleichtert. Für die Zukunft wurde eine mehrtägige Fortbildung in verschiedenen Bezirken in Istanbul vereinbart.

Die Erlanger Gruppe hatte während ihres Besuchs in der Trainings- und Ausbildungsstation von AFAD die Möglichkeit eine Erdbebensimulation zu erleben und wurde unterwiesen, wie man sich im Erdbebenfall verhalten soll. Unter dem Dach von AFAD sind alle kommunalen und zivilgesellschaftlichen Akteure des Katastrophenschutzes organisiert.

Bei einem weiteren Treffen haben die Erlanger verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen kennengelernt, die sich in Beşiktaş mit verschiedenen Aspekten des Katastrophenschutzes befassen und die alle nach internationalem Standard INSARAG als leichte, mittlere und schwere USAR-Teams klassifiziert sind.  Eine Initiative ist ausschließlich in Beşiktaş aktiv, zwei weitere sind türkeiweit vertreten. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen arbeiten in der Türkei unter wesentlich schwierigeren Bedingungen als die ehrenamtlichen Blaulichtorganisationen in Deutschland. So ist zum Beispiel die Gemeinnützigkeit nur sehr schwer zu erreichen, es gibt keine Freistellung von der Arbeit im Katastrophenfall, eine entsprechende Gesetzgebung zur Förderung des Ehrenamtes fehlt. Die NGO fühlen sich von der Regierung eher behindert als gefördert.

Alle drei Vereine wünschen sich einen Austausch mit den ehrenamtlichen Blaulichtorganisationen in Erlangen hinsichtlich Technikausstattung, Arbeitsweisen und evtl. gemeinsamen Übungen. Die Bemühungen der Stadtverwaltung Beşiktaş und der zivilgesellschaftlichen Organisationen sind im Vergleich zu anderen Bezirken sehr vorbildlich. Im einem der Nachbarbezirke gibt es beispielsweise bis heute weder eine zuständige kommunale Einheit für Katastrophenschutz noch Suchhunde.

Aufgrund der geringen personellen und finanziellen Ressourcen ist es für die Aktiven eine Herausforderung, die 200.000 Einwohner von Beşiktaş zu sensibilisieren und zu informieren. Am besten gelingt es nach Aussagen von Kemalettin Arslan, dem Direktor des Katastrophenschutzes über die Schulen: von 23.000 Schülern in Besiktas wurden bereits 17.000 informiert und für den Katastrophenfall - sprich Erdbeben – trainiert.

Die Vertreter der Erlanger Feuerwehr Michael Stöhr und Markus König sahen bei ihren Berufskollegen von der Feuerwehr Beşiktaş sehr vergleichbare Konzepte was Einsatztaktik und Ausstattung anbelangt. Die Gerätschaften sind nahezu identisch, die Nutzungsdauer in der Türkei allerdings deutlich länger. Beeindruckt waren die Erlanger von der Software, einem all- in-one-System, das auch mit den Überwachungskameras verknüpft ist, so dass die Feuerwehr bei ihren Einsätzen live Bilder für die Anfahrt und zum Teil auch für die Einsatzstellen nutzen kann.  

Im Nachgang des Erdbebens wurde deutlich, dass Istanbul zu einer der am meisten gefährdeten Städte weltweit gehört. Trotz aller Bemühungen gelten 1,5 Mio Wohneinheiten als nicht erdbebensicher. Experten befürchten ein zerstörerisches Szenario einhergehend mit einem Tsunami wenn das große prognostizierte Erdbeben mit einer Stärke von 7 oder mehr die Stadt erschüttern wird. Umso wichtiger ist es, die Akteure in Besiktas bei ihren Bemühungen, die Bewohner*innen vorzubereiten, zu unterstützen.

Das Projekt findet im Rahmen der Deutsch-Türkische Initiative zur Förderung des kommunalen Fachdialogs ORTAK – das türkische Wort für ZUSAMMEN – statt und wird von Engagement Global und der Mercator Stiftung finanziell gefördert. Sollten auch im nächsten Jahr Fördermittel zur Verfügung stehen, ist eine Fortsetzung der Zusammenarbeit im Bereich Katastrophenschutz geplant.

Büro für Chancengleichheit und Vielfalt / Internationale Beziehungen

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